Schwerpunktthema der Sitzung war die Radikalisierung der Gesellschaft – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven wurden aktuelle Entwicklungen, Ursachen, Präventionsansätze sowie konkrete Beobachtungen aus der Praxis vorgestellt und diskutiert.
Zu Beginn wurde die Arbeit der Beratungsstelle Legato vorgestellt. Erläutert wurde die systemische Herangehensweise bei religiös begründeten Konflikten und Radikalisierungsprozessen. Die Beratung richtet sich an betroffene junge Menschen aber vor allem an deren Angehörige und Fachkräfte. Als zentrale Ursachen für Radikalisierung wurden unter anderem Identitätssuche, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Ausgrenzungserfahrungen sowie gezielte Ansprache durch extremistische Akteure benannt.
Der Verfassungsschutz erläuterte seinen gesetzlichen Auftrag und machte deutlich, dass der rechtliche Rahmen der Tätigkeit klar begrenzt ist. Die Arbeit des Verfassungsschutzes setzt im Vorfeld konkreter Gefahren oder Straftaten an und liegt damit zeitlich vor der polizeilichen Arbeit. Zu den Aufgaben zählt das Sammeln von Informationen über mögliche Radikalisierungstendenzen, sofern eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestehen kann. Eine Beobachtung von Jugendlichen ist seit einiger Zeit bereits ab dem Alter von 12 Jahren möglich. Als zentrale Beobachtungsfelder wurden der Islamismus und der Rechtsextremismus benannt. Islamistische Radikalisierungen wurden als sehr heterogen und dynamisch beschrieben.
Für beide Phänomenbereiche wurden drei übergreifende Trends festgestellt:
- ein deutlicher Anstieg von Radikalisierungsprozessen bei Jugendlichen,
- eine zunehmende Geschwindigkeit der Radikalisierung,
- eine sinkende Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt.
Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht werden in Hamburg rund 400 Rechtsextremisten und etwa 1.900 Islamisten geführt.
Die Polizei-Hamburg stellte dar, dass ihre Arbeit im Bereich Extremismusprävention über die reine Verfolgung von Straftaten hinausgeht. Neben repressiven Maßnahmen spielt insbesondere die Netzwerkarbeit innerhalb von Gemeinschaften eine wichtige Rolle. Zudem werden präventive Ansätze verfolgt, teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Trägern.
Sowohl von Polizei als auch Verfassungsschutz wurde betont, dass Extremismus im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken stark zugenommen habe. Ein erheblicher Teil der Radikalisierungsprozesse findet mittlerweile digital statt.
Aus der Praxis der offenen Kinder- und Jugendarbeit wurde berichtet, dass religiös begründeter Extremismus im Arbeitsalltag deutlich häufiger wahrgenommen wird. Besonders problematisch ist dabei die Radikalisierung über bereits bestehende radikalisierte Gruppen oder Freundeskreise. Jugendliche werden aus anderen sozialen Kontexten herausgelöst und radikalisieren sich innerhalb dieser Gruppen weiter.
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass sich Jugendliche nahezu ausschließlich über soziale Netzwerke informieren, insbesondere über TikTok. Dies wird als große Herausforderung gesehen, da dort Verschwörungstheorien und extremistische Inhalte häufig ungefiltert und unkritisch übernommen werden.
Der Jugendhilfeausschuss befasste sich in der Sitzung außerdem mit der Stellungnahme der AG 78 „Offene Kinder- und Jugendarbeit und Familienförderung“. Die Freien Träger fordern dazu auf, dass politische Parteien das Thema der Förderung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) sowie der Familienförderung auch in anderen Gremien stärker adressieren und hierfür nachhaltig politischen Druck aufbauen.
Weiter hat der Jugendhilfeausschuss eine eigene Stellungnahme zur akuten Unterfinanzierung der Familienförderung und der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) im Bezirk Bergedorf beschlossen.
